Zur Ausstellung – Janina C. Bruegel, Überfluss und Einsamkeit

Acryl und Tusche auf Leinwand, 140 x 155 cm
Bruegels künstlerisches Schaffen konzentriert sich auf Darstellungen von Menschen, die meistens geschichtlich oder gesellschaftskritisch begründet sind. Weitere Inspirationsquellen sind ihr lyrische und literarische Texte. Auf diese Weise fließt in ihren Bildern Vergangenes und Gegenwart zusammen.
Bisher sind drei in sich geschlossene Werkzyklen entstanden, aus denen hier Arbeiten aus den zwei Werkgruppen „Menschen bei Nacht“ und „Kaspar Hauser oder die Trägheit des Herzens“ zu sehen sind. Aus der vierten Werkgruppe „Die Narzissmus Epidemie“, die 2018 begonnen wurde und noch nicht abgeschlossenen ist, haben in dieser Ausstellung zwei Werke Premiere: „Happy Birthday“ und „Quality Time“ (2019). In dieser rezenten Werkgruppe thematisiert Bruegel die Auswirkungen der digitalen Medien auf unsere Beziehungswelten und ihre Folgen für Kultur und Psyche. Die digitalisierte Welt entzieht die Aufmerksamkeit aus den realen Beziehungen. „Happy Birthday“ zeigt auf, wie die fragmentierte Aufmerksamkeit der Eltern durch die digitale Ablenkung absorbiert wird.
[Strange heavy gestures] make reply, that struggle in the buzzing room, 2015 /
(Menschen bei Nacht / People at Night)
Acryl und Tusche auf Leinwand, 100 x 140 cm

In dem Zyklus „Kaspar Hauser oder die Trägheit des Herzens“, 2017, zeigt Bruegel Portraits der Menschen, die Kaspar Hausers Leben entscheidend prägten. Sie schuf Charakterdarstellungen nach einem genauen Text-Studium. Mit eingeflossen sind originale Zeugenaussagen, Statements und Briefe der Portraitierten selbst, wissenschaftliche Abhandlungen und Jakob Wassermanns Roman „Kaspar Hauser oder die Trägheit des Herzens“. Hier in dieser Ausstellung sind die Werke „Baron von Tucher“, „Professor Daumer“ und „Frau Biberbach“ zu sehen.
Die bisherigen Werkzyklen und die noch nicht abgeschlossene Werkreihe „Die Narzissmus Epidemie“ verbindet ein übergreifendes Sujet: „Überfluss und Einsamkeit“ mit einer Fokussierung auf den Menschen.
Bruegel: „Im Gegensatz zu anderen Lebewesen ist der Mensch schwer berechenbar: von Instinkten geleitet und gleichzeitig vernunftbegabt, empfindsam, zu abstraktem Denken fähig und mit Moral ausgestattet, befindet er sich in einem Zwiespalt, den er nicht auflösen kann: er meint, sein Leben zu gestalten und zu kontrollieren, was so lange gelingt, bis das Schicksal dazwischenfunkt und sein fragiles Lebenskonstrukt einstürzen lässt. Dieser Gegensatz aus menschlicher Schicksalsabhängigkeit auf der einen und vordergründiger Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit auf der anderen Seite ist einzigartig und macht den Menschen faszinierend.“
Bruegels Themen und ihr Duktus zeigen diese Komplexität und Vielschichtigkeit des Menschen deutlich auf. Die oberflächliche Betrachtung ist trügerisch. Die Farben, leuchtend wie der Regenbogen, grelle Muster, und dekorative Kompositionen lassen zunächst eine naive Heiterkeit und eine ungetrübte Betrachtung zu, die an den Manierismus von Jan Bruegel d. J. aus der Bruegel-Dynastie erinnern. Wendet man sich Janina Bruegels Werken länger zu, erkennt man die „nackten Menschenseelen, sie liegen offen und schutzlos zu Füßen des Betrachters“ (Bruegel). Ihre Darstellungen sind tiefgründig und zeigen ihr hohes Maß an Einfühlungsvermögen und psychologischem Scharfsinn auf. Bruegel ist nicht nur Malerin, sondern auch Ärztin. Die mit diesem Beruf verbundene Verantwortung für das Leben von Menschen, die sich in einer absoluten Ausnahmesituation befinden, die das Gefühl des Kontrollverlustes und des Ausgeliefertseins erleben, schärft ihren Blick, lässt sie deren Abgründe sowie innersten Bedürfnisse sehen und verstärkt ihre seelische Verbundenheit mit ihren Mitmenschen.
(Von G. J. Berghout, Kunsthistorikerin, International Network of Art, Frankfurt am Main, Februar 2019).